Barfuß-Experte Emanuel Bohlander

Interview mit Barfuß-Experte Emanuel Bohlander

Vom Barfußlaufen als logische Konsequenz für gesündere Füße

Emanuel hat sich der Fußgesundheit verschrieben – und dafür eine außergewöhnliche Profession begründet: Er ist Barfuß-Trainer und Coach sowie Gründer der Barefoot Academy in Düsseldorf. Wir haben mit Emanuel darüber gesprochen, welche Auswirkungen das Tragen von Schuhen auf unsere Füße haben kann und wie man dies mit Barfußlaufen vermeidet.

Emanuel, du bietest Schulungen und Workshops an, die den Teilnehmern „artgerechtes Laufen“ vermitteln – aber was genau verstehst du darunter?

Artgerechtes Laufen bedeutet für mich, den Fuß nicht groß zu verändern, wie etwa durch das Tragen von Schuhen, sondern sich auf natürliche Weise fortzubewegen. Wenn man sich die Ursprünge der Menschheit anschaut, dann erkennt man, dass die breiteste Stelle der Füße unserer Vorfahren die Zehen waren. Das hat sich im Laufe der Jahre, vor allem durch das Tragen von Schuhen, sehr verändert. Aber auch harte Untergründe, etwa Asphalt, haben dazu beigetragen, dass wir das „artgerechte Laufen“, also das Gehen in seiner natürlichsten Form, verlernt haben.

Wie sieht es dabei mit der Gesundheit der Füße aus?

Typische unnatürliche Fehlstellungen kommen meistens durch Schuhe zustande: diese werden als ästhetisch empfunden, wenn sie vorne schmal zulaufen. Das steht der natürlichen Form der Füße aber komplett entgegen. Spreiz- Senk und Plattfüße können die Folge sein. Fußpilz ist ebenfalls ein großes Thema. Das beste Milieu für Fußpilz ist warm und feucht – wie in Schuhen. Geht man barfuß, sind die Füße immer gut belüftet. Das viel größere Risiko, sich mit Fußpilz anzustecken, liegt in Schwimmbädern, Umkleiden und Turnhallen, wo die Pilzerreger sich wohl fühlen und man ohnehin barfuß unterwegs ist und entsprechend vorbeugen sollte. Dafür gibt es entsprechende Produkte, die dabei helfen können.

Jetzt mal Hand auf’s Herz: Wie oft bist du selber im Alltag barfuß unterwegs?

(lacht) Na ja, meine Arbeit besteht ja aus Barfuß-Laufen. Ich versuche, so viel wie möglich barfuß zu sein, durch so viele Jahreszeiten wie möglich. Manchmal ist es aber auch mir einfach zu nass oder kalt und ich greife auf geeignete Hilfsmittel zurück: So trage ich beim Einkaufen und Joggen gute Sandalen, die an mein Fußbett angepasst und sehr dünn sind. Wenn es im Winter sehr kalt ist, ziehe ich auch schon mal dicke, weite Wollsocken und Barfußschuhe an, die vorne an den Zehen breit sind und der natürlichen Fußform ausreichend Platz lassen. Im Sommer laufe ich dann auch schon mal barfüßig durch die Stadt. Aber ich betreibe das nicht dogmatisch und habe einen guten Mittelweg für mich gefunden. Ich habe schon von Anfang an einen eher sachlichen und mechanischen Zugang zum Barfußlaufen gehabt.

Was für Alltags-Tipps hast du für „Normalfüßler“, die mehr auf ihre Füße achten möchten?

Grundsätzlich: so viel barfuß gehen wie möglich! Besonders zuhause kann man lieber Pantoffeln und Socken weglassen, auch wenn der Boden schon mal kalt ist. Am Anfang ist das noch ungewohnt, aber da muss man einfach mal die Zähne zusammenbeißen und durch. Auf Socken gehen zählt übrigens nicht als barfuß. Weil die Zehen relativ weich sind, reicht bereits die Spannung der Socken aus, um die Zehen zusammenzudrücken. Weiter wird der gesamte Fuß komprimiert, was die Durchblutung verringert und zu kalten Füßen führen kann. Barfußlaufen kann also sogar für wärmere Füße sorgen! Im Sommer kann man auch mal auf einem Spaziergang oder einer Wanderung versuchen, für 300 bis 400 Meter erste Schritte ohne Fußbekleidung zu wagen. Die Haut muss sich erst daran gewöhnen. Auch das Schuhwerk kann man verändern, um den Füßen etwas Gutes zu tun: Barfußschuhe werden zu den Zehen hin immer breiter und lassen den Zehen den Raum, den sie brauchen, und haben sehr dünne und flexible Sohlen. Inzwischen gibt es da ein breites Angebot mit modischen Modellen, wie Lederschuhen und Sneakers aus Mesh-Material. Wer seine Füße mit ein paar gezielten Übungen unterstützen möchte, findet auf unserem Youtube-Channel eine Reihe hilfreicher Videos und Anleitungen.

Nehmen wir an, man läuft jetzt öfter barfuß – wie verändert sich das Wahrnehmen mit den Füßen?

Ein Riesenthema für Barfuß-Beginner ist, was mit den Schmerzen geschieht, die man anfänglich empfinden kann. Tatsächlich gewöhnen die Füße sich daran. Sie stumpfen nicht ab, dass man nichts mehr empfindet, sondern das Nervensystem passt sich an und die Sensorik in den Füßen bleibt erhalten. Das Wichtigste für den Einstieg ist, den Fuß zu entspannen, ihn locker zu lassen und nicht zu verkrampfen. Was sich verändert, ist die Haut. Wer Angst vor einer Verhornung der Fußsohlen hat, sei beruhigt. Hornhaut entsteht vor allem durch Reibung, die es beim Barfußlaufen kaum gibt. Stattdessen ähnelt die Haut irgendwann eher der einer Hundepfote.

Man sollte vor allem darauf achten, dass die Füße nicht Austrocknen, also auch Feuchtigkeitscreme auftragen. Als Tipp für Einsteiger: Fangt auf angelegten Trampelpfaden, im Wald oder auf Wiesen an. Auch Asphalt ist ein guter Untergrund für den Start. Spezielle Barfußpfade sind auch nett, aber in der Regel nicht mit dem Barfußgefühl im Alltag zu vergleichen.

Dieser Artikel wurde zuletzt am 30.01.2024 aktualisiert.